Ausgabe Tiroler SONNTAG Kirchenzeitung der Diözese Innsbruck, 1. Mai 2011, Seite 3:

 Asylpolitik: Wie ein Auto im Stau 

„Asylpolitik in Österreich“, lautet der Titel des neuesten Buches von Sieglinde Rosenberger, Professorin am  Institut für Politikwissenschaft in Wien. Vor kurzem wurde es im Haus der Begegnung in Innsbruck präsentiert. 

DANIEL FURXER 

Wer über Asylpolitik forschen will, erlebt seine Wunder. Auch in Österreich. Davon hat Univ.-Prof. Sieglinde Rosenberger bei der Präsentation ihres Buches „Asylpolitik in Österreich“ erzählt. So gebe es eine teilweise ablehnende Haltung von Behörden und Ministerien. Asyl sei ein sensibles Thema, über das nicht geforscht werden könne, so zum Beispiel eine Auskunft des Innenministeriums. Wie dringend nötig die Auseinandersetzungund Forschung zu diesem Thema aber sei, zeige die Grundversorgung der AsylwerberInnen in Österreich: So gebe es zehn verschiedene Grundversorgungsvereinbarungen für AsylwerberInnen (neun Bundesländer und dieBundesbetreuung) – statt einer einheitlichen Regelung. Für Rosenberger ein Hinweis auf die unentschlossene Haltung des Bundes gegenüber diesem Thema, der die Asylpolitik den Ländern zugeschoben habe. Die Wissenschafterinzeigte zudem auf, dass die Grundversorgungsvereinbarungen einen erheblichen Ermessungsspielraum zulassen, ganznach Hanna Arendt: „Es kann so oder anders gehandelt werden.“ Kritisch sieht Rosenberger auch die ungeheuere Flut von Gesetzen und Verordnungen. „Wie in einem Dschungel“ sei es oft nicht möglich, Verantwortliche für Entscheidungen dingfest zu machen. Persönliche Verantwortung werde oft zurückgewiesen. 

Abgeschottet. Eine Frage, bei der die unterschiedliche Handhabung der einzelnen Bundesländer sichtbar werde, sei die Situation der Unterbringung. Während in Wien über 60 % der AsylwerberInnen in privaten Unterkünftenlebt, sind es in Tirol nur 27 %. Die Studie von Prof. Rosenberger ergibt, dass Flüchtlinge durch die Unterbringung in Flüchtlingsheimen strukturell desintegriert und abgeschottet werden, da sie oft dezentral und nicht in den Städten Tirols untergebracht sind. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion wurde teilweise heftig darüber diskutiert, wiedie Unterbringungssituation in Tirol besser gelöst werden könnte. Meinhard Eiter, Flüchtlingskoordinatorvon Tirol, rechtfertig die Unterbringung in Flüchtlingsheimen mit den hohen Mietpreisen in Tirol. Die Asylwerber -Innen können mit der Grundversorgung diese Kosten nicht zahlen. Er plädierte für eine Anhebung der Grundversorgung und die Aufhebung des Gesetzes, dass AsylwerberInnen nicht arbeiten dürfen. Verena Schlichtmeier von Ankyra – Zentrum für interkulturelle Psychotherapie –, entgegnete, dass es in Vorarlberg positive Beispielevon Wohnungsanmietungen der Caritas gebe, die dann die Wohnungen billig weitergeben und so die prekäre Wohungsmarktsituation entschärften. Landesrat Gerhard Reheis sprach sich für ein Regierungsamt für Asyl,Migration und Menschenrechte auf Bundesebene aus. Katharina Lang von der Diakonie und auch Psychotherapeutin Sonja Steixner betonten, dass die rechtliche Beratung und psychotherapeutische Betreuung von AsylwerberInnenunzureichend von Bund und Land finanziert würden. Veränderungen in der Asylpolitik vollziehen sich sehr langsam. Dies war ein ernüchterndes Ergebnis dieses Abends. Eine Asylwerberin brachte die österreichische Asylpolitik aufden Punkt: „Ich fühle mich wie ein Auto, das im Stau steht.“

Sieglinde Rosenberger: Asylpolitik in Österreich. Unterbringung im Fokus.304 Seiten, EUR 22,90 Facultas-Universitätsverlag